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Steuern / Einkommensteuer 
Montag, 07.04.2025

Kindergeld wegen seelischer Behinderung auf Grundlage eines Gutachtens

Der Bundesfinanzhof hat zu der Frage Stellung genommen, ob allein auf der Grundlage eines Gutachtens eines psychologischen Psychotherapeuten eine hinreichende Überzeugungsbildung, insbesondere wenn keinerlei ärztliche Bescheinigungen zu einer Erkrankung oder Behinderung vorliegen, möglich ist (Az. III R 9/23).

Im Streitfall beantragte die Klägerin für ihre Tochter, die nach ihrem Abitur 2015 zunächst eine berufliche Tätigkeit aufnahm und sich später an einer Berufsfachschule einschrieb, Kindergeld. Aufgrund einer Schilddrüsenkrebserkrankung im Jahr 2015 musste sich die Tochter mehreren Operationen und Therapien unterziehen. Im Juli 2016 wurde ein Tumor in der Brust diagnostiziert, der sich bei einer radiologischen Untersuchung im August 2016 als gutartig herausstellte und im April 2017 entfernt wurde. Die Tochter erzielte im Zeitraum Oktober 2016 bis Oktober 2017 monatlich maximal Einkünfte i. H. v. 450 Euro. Die Klägerin beantragte ab März 2016 Kindergeld unter Vorlage einer Schulbescheinigung der Berufsfachschule für einen voraussichtlichen Schulbesuch der Tochter, welches die Familienkasse auch zunächst gewährte. Später hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds wieder auf und forderte die Rückzahlung, da kein ausreichender Nachweis einer Behinderung vorgelegt werden konnte. Erst im Jahr 2019 stellte das Versorgungsamt einen Grad der Behinderung von 50 ab September 2018 fest. Die Familienkasse erkannte die Behinderung erst ab diesem Datum an. Es lehnte den Einspruch der Klägerin gegen die Rückforderung für die vorherigen Zeiträume ab, da die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt nicht nachgewiesen war. Im Rahmen des Klageverfahrens forderte das Finanzgericht Hamburg ein Sachverständigengutachten zum Vorliegen einer Behinderung und zur möglichen Ursächlichkeit einer solchen für die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ein und gab der Klage daraufhin statt.

Der Bundesfinanzhof wies die Revision der Familienkasse zurück. Für die Frage, ob die Teilhabe am wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich eingeschränkt ist, komme es auf die Dauer und den Grad der Beeinträchtigung an. Entscheidend sei nach Auffassung der Richter, ob die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft tatsächlich beeinträchtigt ist. Die Prüfung der Teilhabefähigkeit habe anhand der tatsächlichen Verhältnisse und des jeweiligen sozialen Umfelds zu erfolgen. Des Weiteren entschied der Bundesfinanzhof in Bezug auf die Prüfung der Teilhabefähigkeit, dass die Überzeugung vom Vorliegen einer seelischen Behinderung auch auf Basis eines retrospektiven Gutachtens eines psychologischen Psychotherapeuten gebildet werden kann. Bei der Auswahl des entsprechenden Gutachters sei als maßgebliches Kriterium dessen Expertise für die entsprechende Beweisfrage zu berücksichtigen.

Hinweis

Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes besteht ein Kindergeldanspruch für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

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