Einem Radfahrer kann bei einem von einem Autofahrer verschuldeten Verkehrsunfall mit einem nicht elektrisch unterstützten Fahrrad im Jahr 2022 ein Mitverschulden nicht deshalb zugerechnet werden, weil er keinen Fahrradhelm getragen hat. Dies entschied das Kammergericht Berlin (Az. 25 U 52/24).
Diese Auffassung haben die Richter des Kammergerichts in Übereinstimmung mit der bisher überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in einem Fall vertreten, dem ein Unfallereignis aus dem Jahr 2022 zu Grunde lag.
Im Streitfall wurde eine Radlerin von einem Autofahrer im Bereich eines Fußgängerübergangs angefahren. Sie stürzte so schwer, dass sie sich ein Schädel-Hirn-Trauma mit Schädelfraktur sowie Frakturen von Oberschenkelknochen und Schlüsselbein zuzog. Es kam zu einem Prozess vor dem Landgericht Berlin II. Dieses entsprach der Klage auf Feststellung weiterer Schäden, weil es nicht ausschließen konnte, dass sich auch nach Ausheilen der Primärverletzungen Folge- oder Spätschäden ergeben können. Damit war der Autofahrer nicht einverstanden und ging in die nächste Instanz.
Da die grundsätzliche Haftung des Autofahrers aus § 7 Abs. 1 StVG feststand, kam es im Berufungsverfahren vor dem Kammergericht auf ein mögliches Mitverschulden der Radlerin aus § 9 StVG in Verbindung mit § 254 BGB wegen des fehlendes Fahrradhelms an. Das Kammergericht verneinte ein Mitverschulden. Es bezog sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2011. Dieser entschied, dass es angesichts einer fehlenden gesetzlichen Verpflichtung zum Tragen eines Helms auf das allgemeine „Verkehrsbewusstsein“ der Bevölkerung ankomme. Nur wenn sich in der Bevölkerung eine allgemeine Überzeugung gebildet habe, dass das Tragen eines Helms beim Radfahren zum Schutz vor Verletzungen erforderlich sei, könne bei Unterlassen dieser Schutzmaßnahme eine Verletzung der gemäß § 254 BGB bestehenden Schadensminderungspflicht des betreffenden Radfahrers angenommen werden. Im Jahre 2011 hätte sich eine allgemeine Überzeugung der Erforderlichkeit, beim Fahrradfahren einen Helm zu tragen, jedoch noch nicht herausgebildet. Also lehnte der Bundesgerichtshof ein Mitverschulden aus dem Gesichtspunkt eines fehlenden Fahrradhelms ab. Nach Einschätzung des Kammergerichts gelte diese Bewertung auch noch für das Jahr 2022, in dem sich der streitgegenständliche Unfall ereignet hatte. Es bezog sich auf eine repräsentative Verkehrsstudie der Bundesanstalt für Straßenwesen, wonach im Jahr 2022 innerorts nur 34 % der Fahrer einfacher Fahrräder keinen Helm trugen.
Die Begründung deutet jedoch an, dass sich diese Bewertung in Zukunft ändern könnte, wenn in der Allgemeinheit das Bewusstsein wächst, dass das Tragen eines Fahrradhelms zum Schutz vor Verletzungen unbedingt erforderlich ist.
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