Der Bundesfinanzhof entschied, dass ausländische Anteilseigner Anspruch auf Verzinsung haben, wenn Kapitalertragsteuer unionsrechtswidrig einbehalten oder ihre Erstattung verzögert wird (Az. VIII R 32/21). Diese Entscheidung könnte erhebliche Rückzahlungen für die Finanzverwaltung bedeuten.
Bisher hatte das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vielen ausländischen Anteilseignern die Erstattung von Kapitalertragsteuer unter Berufung auf § 50d Abs. 3 EStG (i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006) verweigert, was nach den EuGH-Entscheidungen C-504/16 und C-613/16 („Deister Holding“ und „Juhler Holding“ vom 20.12.2017) jedoch gegen das Unionsrecht verstieß.
Im vorliegenden Fall hatte eine deutsche Aktiengesellschaft (AG) Gewinnausschüttungen an eine österreichische Muttergesellschaft vorgenommen. Für drei der Gewinnausschüttungen wurde die Erstattung der von der AG einbehaltenen Kapitalertragsteuer im Erstattungsverfahren vom BZSt unter Verstoß gegen das Unionsrecht gemäß § 50d Abs. 3 EStG 2007 abgelehnt. Für eine weitere Gewinnausschüttung war der österreichischen Muttergesellschaft zunächst eine sog. Freistellungsbescheinigung erteilt worden, nach der die AG keine Kapitalertragsteuer hätte einbehalten müssen. Diese Freistellungsbescheinigung wurde vom BZSt unter Berufung auf § 50d Abs. 3 EStG 2007 in unionsrechtswidriger Weise widerrufen. Das BZSt hatte nach Ergehen der EuGH-Entscheidung „Deister Holding“ und „Juhler Holding“ die Kapitalertragsteuer im Rahmen der zeitweise ruhenden Einspruchsverfahren erstattet. Die allein streitgegenständlichen Verzinsungsanträge der österreichischen Muttergesellschaft hatte es abgelehnt. Eine Verzinsung für erstattete Kapitalertragsteuerbeträge sei nicht zu gewähren, wenn die Steuer unter Abhilfe eines Einspruchs erstattet werde. Das Finanzgericht gab der Klage hingegen teilweise statt.
Der BFH entschied: Ausländische Anteilseignergesellschaften, denen einbehaltene Kapitalertragsteuer auf Gewinnausschüttungen nach Art. 5 der Mutter-Tochter-Richtlinie i. V. m. § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a. F. (jetzt § 50c Abs. 3 Satz 1 EStG) zu erstatten ist, haben auf der Grundlage des Unionsrechts einen Verzinsungsanspruch, wenn ihnen die Erstattung der Steuerbeträge unter Verstoß gegen das Unionsrecht vorenthalten wird oder die Kapitalertragsteuer von vornherein unter Verstoß gegen das Unionsrecht einbehalten wird. Vorliegend stehe der österreichischen Muttergesellschaft eine Verzinsung nach dem unionsrechtlichen Zinsanspruch zu. Der Zinslauf beginne in Fällen, in denen ohne ein vorheriges Freistellungsbescheinigungsverfahren die Erstattung der Kapitalertragsteuer beantragt und im Erstattungsverfahren in unionsrechtswidriger Weise vorenthalten werde, drei Monate nach der Einreichung eines formal ordnungsgemäßen Erstattungsantrags und ende mit dem Tag der Auszahlung des Erstattungsbetrags. In Fällen, in denen eine zunächst erteilte Freistellungsbescheinigung unter unionsrechtswidriger Bezugnahme auf § 50d Abs. 3 EStG 2007 vom BZSt widerrufen werde, beginne der Zinslauf mit dem Tag des Einbehalts der Kapitalertragsteuer durch die AG und ende mit dem Tag der Auszahlung des Erstattungsbetrags. Schließlich klärten die Richter des Bundesfinanzhofs, dass die Zinsen für die jeweiligen Verzinsungszeiträume taggenau und für Verzinsungszeiträume vor dem 01.01.2019 mit 6 % p. a. zu berechnen sind.
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