Sind Zeiten, die zum Zwecke der Vorbereitung des Studiums im Ausland verbracht werden, bei der Berechnung der ausbildungsfreien Zeiten zu berücksichtigen? Hierzu hat der Bundesfinanzhof entschieden (Az. III R 32/23).
Im Streitfall war der Kläger Vater einer im Jahr 1999 geborenen Tochter. Diese leistete vom 01.09.2018 bis zum 30.06.2019 ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland (Drittstaat) ab. Vom 06.07.2019 bis zum 21.08.2019 hielt sich die Tochter im elterlichen Haus in Deutschland auf. Am 21.08.2019 kehrte sie ins Ausland zurück, wo sie anschließend ihr Studium begann. Während dieser Zeit zog die Tochter mit ihrem Freund in eine gemeinsame Wohnung, die von diesem angemietet worden war. Mit Bescheid vom 12.07.2022 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung auf. Der Kläger beantragte erneut die Festsetzung von Kindergeld für seine Tochter. Die Familienkasse lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Tochter weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Hessische Finanzgericht als unbegründet zurück (Az. 8 K 1775/19). Wenn sich ein volljähriges Kind nach einem freiwilligen sozialen Jahr in einem Drittstaat nur wenige (hier: sechs) Wochen im inländischen Elternhaus aufhalte und es mehr als zwei Monate vor Beginn des im selben Drittstaat geplanten Studiums in den Drittstaat zurückkehre, ohne dass hierfür hinreichende ausbildungsbezogene Gründe vorlägen, lasse dies auf bloße Besuchszwecke schließen, sodass im Elternhaus kein für das Kindergeld notwendiger Wohnsitz mehr bestehe. Das Finanzgericht war hier zur Überzeugung gelangt, dass die Tochter des Klägers im streitigen Zeitraum keinen Wohnsitz im Inland hatte. Mit der Revision rügte der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Der Bundesfinanzhof hob die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Das Finanzgericht habe im gesamten Streitzeitraum einen Kindergeldanspruch des Klägers abgelehnt, da die Tochter keinen Wohnsitz im Inland habe. In Bezug auf den Monat August 2019 stehe dem Kläger jedoch Kindergeld zu. Die Tochter sei als volljähriges Kind des nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anspruchsberechtigten Klägers zu berücksichtigen, da sie sich in einer höchstens vier Monate dauernden Übergangszeit zwischen FSJ und Studium befand. Ihre Berücksichtigung sei auch nicht nach § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG ausgeschlossen, weil die Tochter ihren Wohnsitz in der elterlichen Wohnung jedenfalls bis zu ihrer Abreise aus Deutschland am 21.08.2019 beibehalten hat. Hinsichtlich der Monate September bis November 2019 reichen die Feststellungen des Finanzgerichts nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die Tochter ihren Wohnsitz im Inland aufgegeben oder beibehalten hat.
Mit seinem Urteil vom 21.06.2023 (Az. III R 11/21) – welches das Finanzgericht bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte – hat der Bundesfinanzhof die Grundsätze für mehrjährige Auslandsaufenthalte von Kindern zu Ausbildungszwecken präzisiert. Danach behält ein Kind bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt seinen inländischen Wohnsitz in der elterlichen Wohnung regelmäßig nur dann bei, wenn es sich während der ausbildungsfreien Zeiten überwiegend im Inland aufhält und die Inlandsaufenthalte Rückschlüsse auf ein zwischenzeitliches Wohnen zulassen, wobei für die Berechnung der Aufenthaltszeiten regelmäßig auf das Ausbildungs-, Schul- oder Studienjahr abzustellen ist. Steht bereits während des laufenden Ausbildungs-, Schul- oder Studienjahres fest, dass das Kind nicht mehr als die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit in der elterlichen Wohnung verbringen wird, spricht dies für eine Aufgabe des inländischen Wohnsitzes bereits zu diesem Zeitpunkt und nicht erst zum Ende des jeweiligen Ausbildungs-, Schul- oder Studienjahres.
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind, das vor Beginn des Auslandsstudiums bereits im Ausland an einer anderen Ausbildungsmaßnahme teilgenommen oder einen Freiwilligendienst abgeleistet und sich während dieser (ersten) Phase des Auslandsaufenthalts zum mehrjährigen Studium im Ausland entschlossen hat, seinen inländischen Wohnsitz in der elterlichen Wohnung beibehält, sind Übergangszeiten zwischen den Auslandsaufenthalten von höchstens vier Monaten wie ausbildungsfreie Zeiten zu behandeln und dem nachfolgenden Studienjahr zuzuordnen (Fortführung der Rechtsprechung, Senatsurteil v. 21.06.2023).
Zeiten zwischen den Semestern oder Trimestern, die nach dem akademischen Kalender nicht eindeutig zu einem bestimmten Studienjahr gehören, sind jeweils dem nachfolgenden Studienjahr zuzurechnen.
Für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG leben, wird nach § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG kein Kindergeld gewährt. Das Existenzminimum dieser Kinder wird nur durch die Freibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) von der Besteuerung freigestellt.
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